Antrag „Weiterführung und weiterer Ausbau der Kindertagespflege TaPiR“

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister Boch,

die SPD-Fraktion stellt den Antrag,

  1. den Träger Familienzentrum Au e.V., als Träger der Kindertagespflege vollumfänglich beauftragt nach dem SGB VIII, wie alle anderen Träger der Kindertagespflege in Baden-Württemberg anzuerkennen.
  2. die tatsächlichen Betriebskosten der Kindertagespflege TaPiR durch die Kommune zu übernehmen.
  3. Tagespflegepersonen, die eine Qualifikation als Fachkraft in der Kindertagespflege erworben haben, gemäß TVöD höher einzugruppieren, als Tagespflegepersonen ohne diese Qualifikation.
  4. die Kindertagespflege auszubauen, das heißt Erweiterung der Qualifizierungsmaßnahmen und ggf. Zulassung weiterer anerkannter Träger als Maßnahmeträger.
  5. die Landesbauordnung LBO zur Zulassung von Räumlichkeiten für die Kindertagespflege zu überprüfen (Orientierung an positiven Beispielen der Auslegung wie zum Beispiel Landkreis Karlsruhe und Stadt Mannheim)

Begründung:

1. Anerkennung als Träger nach § 22, § 22a, § 23 sowie nach § 43 SGB VIII:

Jeder Träger, der Kindertagespflege durchführt, sollte auch nach dem Gesetz von der Kommune mit der Förderung der Kindertagespflege beauftragt sein. Dieser Förderauftrag umfasst alle Bereiche der Kindertagespflege: die Vermittlung und Beratung der Eltern sowie die Qualifizierung und fachliche Begleitung der Tagespflegepersonen. Pforzheim soll hier – wie bundes- und landesweit üblich – den Träger von TaPiR gleichstellen.

2. Übernahme der Betriebskosten des Trägers:

Bei einem Träger mit festangestellten Tagespflegepersonen und angemieteten Räumen, in denen die Kindertagespflege in der Verantwortung des Trägers durchgeführt wird, entstehen Betriebskosten. Derzeit verweigert die Stadtverwaltung die Übernahme von Verwaltungskosten mit dem Hinweis auf die Selbständigkeit der Tagespflegepersonen und ignoriert dabei, dass die Festanstellung von Tagespflegepersonen (wie in TaPiR) Kosten in Folge hat, die unumgänglich sind wie zum Beispiel Kosten für Lohnbuchhaltung und Personalverwaltung, Kosten für Verwaltung und Instandhaltung der Mieträume, Sicherstellung von Auflagen des Arbeits- und Gesundheitsschutzes, Dienstaufsicht und Gewährleistung der Vertretung, etc. Diese Kosten sind im Sachkostenaufwand einer selbständigen Tagespflegeperson nicht enthalten und werden dem Träger deshalb verweigert. Es müssen endlich die tatsächlichen Kosten des Trägers finanziert werden ohne den Verweis auf eine nicht real vorhandene Selbständigkeit. Ein Beispiel für „Lösungen“ der Stadtverwaltung: Die notwendige Verwaltungskraft, an die sich die Stadt stets selbst wendet, muss über die Verfügungszeit der Tagespflegepersonen finanziert werden. Das heißt, dass die Tagespflegepersonen, die ihnen zustehende Verfügungszeit nicht erhalten! Dieser Zustand ist nicht länger tragbar!

3. Tagespflegepersonen als Fachkraft in der Kindertagespflege:

Dieser Status wurde in Folge der Qualifizierungsoffensive in Baden-Württemberg neu in die Verwaltungsvorschrift aufgenommen. Es bedeutet: Eine Tagespflegeperson, die fünf Jahre als Tagespflegeperson tätig ist und zusätzlich eine Aufstockerqualifizierung von 140 Unterrichtseinheiten qualifiziert hat, darf mit ihrem neuen Status wie eine Fachkraft eingesetzt werden – begrenzt auf die Kindertagespflege. Sie darf eine Fachkraft vertreten (gleiche Tätigkeit) und die Betreuungskapazität der Gruppe darf auf 9 Kinder (statt 7 Kinder) erhöht werden (höhere Platzzahl!!!). Derzeit werden Tagespflegepersonen nach TVöD S 2 vergütet und Fachkräfte (Kinderpflegerinnen) nach S 4. Dies ist ein erheblicher Unterschied bei, in der Praxis gleicher Tätigkeit. Für mehr Verantwortung und mehr Leistung sollte hier eine höhere Eingruppierung erfolgen. Derzeitige Situation: Tagespflegepersonen informieren den Träger nicht, wenn sie den neuen Status erhalten haben, da sie nicht bereit sind für die gleiche (niedrige) Bezahlung mehr Verantwortung zu übernehmen.

4. Mehr Tagespflegepersonen = Erweiterung der Qualifizierungsmaßnahmen:

Es werden mehr Tagespflegepersonen benötigt als derzeit ausgebildet werden. Diese Beschränkung liegt an der Beschränkung der Platzzahlen durch die Verwaltung.

Es wird behauptet, dass das Interesse an dieser Qualifizierung nur gering sei. Dies ist jedoch nicht der Fall.

Es werden derzeit ca. 15 Qualifizierungsplätze pro Jahr angeboten. Diese sind immer belegt, was bedeutet, dass darüber hinaus keine Werbung gemacht werden darf.

Die Beschäftigung in einem sozialversicherungspflichtigen Arbeitsverhältnis als Tagespflegeperson ist in der Bevölkerung kaum bekannt. Es dominiert noch immer die Vorstellung von der Betreuung fremder Kinder zusammen mit den eigenen Kindern im eigenen Haushalt. Dieses Modell ist jedoch nur noch in einer bestimmten Lebensphase attraktiv, nicht jedoch für junge Frauen ohne Familie oder ältere Frauen nach der Familienphase. Außerdem fehlen oft die häuslichen Voraussetzungen (entsprechend großer Wohnraum) oder passen nicht zur Lebenssituation des Partners/der Partnerin (z.B. Homeoffice).

Die Erfahrung zeigt, dass andere Bewerberzielgruppen angesprochen werden müssen, um Tagespflegepersonen zu gewinnen. Die Qualifizierung zur Tagespflegeperson in Festanstellung kann als Einstiegsqualifizierung fungieren zu einer Weiterqualifizierung und Ausbildung zur pädagogischen Fachkraft. In Zeiten des Fachkräftemangels sollte dieser Aspekt nicht außer Acht gelassen werden.

Für einen Ausbau von TaPiR ist ein Ausbau der Qualifizierungsmaßnahmen unerlässlich.

Aus der Erfahrung müsste die Platzzahl auf das Doppelte erhöht werden, um dem realen Bedarf an Tagespflegepersonen in Pforzheim zu entsprechen.

Da der bisherige Träger der Qualifizierung dies nach eigener Aussage nicht leisten kann, wäre eine Zulassung anderer Träger angezeigt.

5.Die Landesbauordnung wird in Pforzheim außerordentlich eng ausgelegt.

So ist eine Betreuung von Kleinkindern in TaPiR derzeit nur im Erdgeschoss möglich. Grundsätzlich ist nicht nachvollziehbar, warum eine Tagesmutter bis zu 5 Kinder alleine unabhängig von der Lage ihrer Wohnung betreuen darf. Zwei Tagespflegepersonen, die 7 Kinder in TaPiR betreuen jedoch an die Erdgeschosslage gebunden sind.

Im Vergleich zu anderen Kommunen behindert Pforzheim damit den eigenen Ausbau an Betreuungsplätzen. Zum Vergleich: Im Landkreis Karlsruhe werden für die Betreuung in der Kindertagespflege in anderen Räumen Häuser angemietet: eine Gruppe im Erdgeschoss, eine Gruppe im 1. OG. In Pforzheim wurde für die Kindertagespflege ein Häuschen mit Garten gefunden, zwei Räume im Erdgeschoss, ein Raum eine halbe Treppe höher. Obwohl in Huchenfeld 12 Kinder und ihre Eltern dringend auf einen Betreuungsplatz warten, kann dieses Häuschen nicht angemietet werden.

Es besteht dringender Handlungsbedarf.

Der Kooperationsvertrag zwischen Stadt und Trägerkreis Familienzentrum Au e.V. endet zum 31.12.2023. In den letzten Jahren wurde bei jedem Vertragsabschluss auf die Forderungen hingewiesen. Dies wurde stets ignoriert.

In der Folge wurde von Seiten des Trägerkreises nur einer kurzen Vertragslaufzeit zugestimmt (2 Jahre, 1 Jahr), in der Hoffnung auf Einsicht seitens der Stadt.

Kindertagespflege nach dem Modell Festanstellung (TaPiR) benötigt gute Rahmenbedingungen und eine auskömmliche Finanzierung für den Träger.

Im Hinblick auf das Ende der Vertragslaufzeit wird eine Entscheidung des Gemeinderats zu den neuen Rahmenbedingungen für TaPiR bis spätestens 31.07.2023 benötigt, damit der neue Vertrag rechtzeitig ausgearbeitet werden kann.

Einer Verlängerung auf der Basis der bisherigen Konditionen wird der Träger nicht mehr zustimmen.

Mit freundlichen Grüßen

Jacqueline Roos,  Dorothea Luppold,  Annkathrin Wulff